Es ist paradox: Wir alle suchen nach Bestätigung. Wir haben Ansprüche an uns und andere. Wir alle wünschen uns, dass wir gelobt und unsere Leistungen anerkannt werden. Dass wir sichtbar und gesehen werden. Und wenn wir schließlich die Bestätigung oder das Lob erhalten, nach dem wir uns so sehnen, dann wissen wir oft nicht, wie wir damit umgehen oder wie wir es annehmen sollen.
Manchmal suchen wir vielleicht gar nicht nach der Bestätigung für eine einzelne besondere Leistung. Manchmal sehnen wir uns vielleicht einfach nur nach einer Stimme, die uns sagt: „Du bist okay, so wie du bist“ – sehnen uns einfach nach Akzeptanz für unser Sein.
Warum fällt es uns oft schwer, ein Lob oder eine Bestätigung anzunehmen, wo wir uns doch so sehr nach dieser Validierung sehnen?
Und wem trauen wir eigentlich zu, wem vertrauen wir genug und bei wem können wir uns überhaupt öffnen, um auf einer ganz persönlichen, verletzlichen und intimen Ebene mit Worten berührt zu werden, indem zu uns gesagt wird: „Du bist gut genug“?
Kurz: Warum fällt es uns so schwer, ein Lob anzunehmen?
Warum es schwer ist
Wir denken und fühlen vielleicht in viel zu komplexen Bahnen: Kaum sagt jemand etwas Nettes, und noch bevor diese netten Worte richtig angekommen sind, schaltet etwas in uns um. Abwehr statt Öffnung. Dieses innere Kopfschütteln. Ein „Ja, aber …“.
Und dann? Spielen wir unsere Leistung herunter, indem wir sagen „Ach, das war doch nichts“ oder „Da nicht für“? Eine kleine Alarmglocke schrillt im Hinterkopf auf und flüstert: „Der will nur was von mir! Warum sollte der sonst so freundlich zu mir sein?!“
Vielleicht können wir in diesem Moment einfach nicht gut darauf reagieren, weil wir eben nicht sagen können: „Wenn du wüsstest, wie es wirklich in mir aussieht“ – und lächeln stattdessen.
Asymmetrisch – weil geben nicht immer seliger ist als nehmen
Wie gehen wir mit der seltsamen Asymmetrie zwischen Geben und Nehmen um und sind wir uns dieser überhaupt bewusst?
Komplimente machen wir gern. Schließlich fühlt es sich gut an, großzügig zu sein. Und daran ist überhaupt nichts falsch, solange das Lob oder das Kompliment wirklich ernst gemeint ist. Und wer will denn nicht als großzügig gelten? Vor allem aber behalten wir die Kontrolle. Wir entscheiden, wem wir geben. Wir entscheiden, wann wir geben und wie viel.
Der andere muss damit umgehen können, was wir geben.
Wir ziehen weiter, mit dem guten Gewissen, eine gute Tat vollbracht zu haben, und sind uns der möglichen Implikationen gar nicht bewusst.
Aus der Gegenperspektive gesehen müssen wir lernen, mit den Komplimenten, die uns gemacht werden, umzugehen. Vielleicht wurden wir in der Vergangenheit so oft mit falschen und nicht ehrlich gemeinten Komplimenten überschüttet, dass unsere Filter darauf geeicht sind, zunächst jedes Kompliment als „Fake“ abzutun.
Was aber, wenn ein Kompliment ernst gemeint ist? Wenn es zutrifft? Auch wenn wir dabei in dem Konflikt stehen, das als Wahrheit anzunehmen?
Wenn wir ein Kompliment, ein Lob, eine Bestätigung annehmen wollen, dann müssen wir uns öffnen. Dann müssen wir zulassen und zugestehen, dass jemand etwas in uns sieht, das wir nicht in uns sehen oder nicht in uns sehen wollen.
Und wenn wir das Lob annehmen, dann haben wir doch auch etwas zu verlieren? Werden wir mit früheren Leistungen verglichen?
Vielleicht ein Zwischenfazit: Geben ist nicht immer seliger als Nehmen und Nehmen ist manchmal verletzlicher als Geben.
Ungleichwertig
Sicher ist, dass nicht jedes Lob gleich viel wiegt. Das Kompliment eines Fremden? Kann er uns überhaupt einschätzen? Ist das nicht nur pure Höflichkeit statt Herzlichkeit?
Das Lob eines nahestehenden Menschen? Ganz andere Wirkung. Solch ein Lob kann uns doch tagelang tragen. Oder „second thoughts“ auslösen, weil wir ungewollt eine Referenz geschaffen haben, an der zukünftige Leistungen gemessen werden können. Und auf eine paradoxe Weise haben wir zwar das Lob genossen, aber auch die Sorge geschaffen, etwas zu verlieren – den besonderen Status, der an das Lob geknüpft war.
Noch komplexer wird es, wenn wir von Menschen, die wir lieben, gelobt werden. Ein solches Lob sagt nicht nur „Das hast Du richtig gut gemacht“, sondern auch „Ich sehe Dich“, und das bringt ganz eigene Implikationen mit sich.
Was sehe ich von mir?
Ist darin eine kleine Wahrheit verborgen? Wir tun uns schwer, gelobt zu werden, weil es unser Selbstbild in gewisser Weise infrage stellt?
Unser Selbstbild, auch ein negatives, gibt uns Sicherheit und ist ein Ankerpunkt für uns in dieser Welt.
Jahrelang haben wir uns jede erdenkliche Mühe mit dem Festungsbau gegeben. Etabliert, dass „wir halt so sind“ oder „nicht gut darin sind“, etwas zu tun oder zu lassen.
Die Enge in diesen Festungen ist oft unbequem, dafür aber sehr vertraut. Und das damit verbundene Gefühl, wird durch ein Lob infrage gestellt.
Anders: Ein Kompliment anzunehmen kann bedeuten, zumindest die Zugbrücke herunterlassen zu müssen. Oder uns für die Möglichkeit zu öffnen, dass wir womöglich mehr sind, als wir uns selbst zugestehen. Oder noch schlimmer: Dass es etwas gibt, das wir (noch) nicht von uns gesehen haben oder nicht von uns sehen wollen, das aber von unserem Gegenüber gesehen wird. All das ist bestenfalls unbequem und vielleicht sogar verängstigend.
Heimliche Komplizen externer Validation
Machen wir uns am Ende zu heimlichen Komplizen externer Validierung, weil wir hoffen, dass eines Tages zumindest ein kleiner Teil dieser externen Bestätigung bis nach innen durchsickert? Dass die vielen Stimmen von außen eines Tages das beständige Mantra der einen inneren Stimme übertönen, die wiederholt „Nein, nicht gut genug“ sagt?
So funktioniert es leider nicht, oder?
Tausend Menschen können dir sagen, wie schön du bist. Wenn du es selbst nicht glaubst, dann hast du es mit tausend Lügnern und deiner eigenen Wahrheit zu tun.
Vertrauen
Wem vertrauen wir und wem schenken wir Glauben?
Anders: Wem vertrauen wir genug, um uns auf einer ganz elementaren und verletzlichen Ebene, ganz nah am Zentrum unseres Egos, berühren zu lassen? Mit Worten. Mit einer Geste. Mit einer Umarmung.
Und warum ist der Kreis der Menschen, denen wir dies zugestehen, so verdammt klein?
Vielleicht, weil echte Bestätigung etwas kostet? Nicht unbedingt den, der sie gibt – das hatten wir bereits etabliert. Echte Bestätigung annehmen zu können, verlangt, dass wir unsere Abwehr senken. Dass wir für einen Moment aufhören, uns selbst zu erklären, zu relativieren, kleinzumachen.
Und dann einfach nur „Danke“ sagen – und es auch so meinen.
Auch keine Lösung
Ich habe auch keine Lösung dafür und gleich gar nicht eine definitive Antwort oder Anleitung. Nur die Selbstbeobachtung, dass es mir leichter fällt, anderen etwas zu geben, als selbst etwas anzunehmen. Meine Verteidigung reagiert schnell und reflexartig. Etwas anzunehmen, das bedarf bewusstes Handeln, Konzentration und Willen.
Vielleicht geht es uns ja allen so: Je älter wir werden, desto besser funktionieren antrainierte Automatismen, die täglich geschärft werden. Und umso schwerer fällt es, diese Automatismen zu überwinden.
Was bleibt, ist die Frage, ob man andere Reaktionen üben kann. Zulassen kann. In manchen Fällen ertragen kann. Stillhalten. Zuhören. Zulassen. Reflektieren, was wir durch die Augen eines anderen über uns erfahren haben.
Es aushalten, dass dort womöglich mehr ist, als wir uns selbst zugestehen.
Vielleicht ist das ein anderer Weg: nicht zu sehr über das Kompliment zu reflektieren. Sondern über die Möglichkeit, dass es zutreffen könnte.
Oder ganz anders: Den Dopamin-Kick einfach genießen, ohne ihn zu sehr zu überdenken und zu hinterfragen.